Sowohl Frauen als auch Männer sind von Koronarerkrankungen betroffen. Idealerweise werden diese Krankheiten früh erkannt, wofür Ärztinnen und Ärzten jetzt mit dem Cardio Explorer-Test ein neues Verfahren zur Verfügung steht.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind heutzutage die häufigste Todesursache. Sie werden von verschiedenen Faktoren ausgelöst, die zu einer Stenose, also einer Verengung der Koronararterien, führen können. Sind die Arterien verstopft, wird das Herz nicht mehr richtig durchblutet und es kommt zum Herzinfarkt mit oft tödlichen Folgen. Daher ist es so wichtig, zu den Vorsorgeuntersuchungen zu gehen, bei denen Risikofaktoren möglichst früh erkannt werden können. Für die Früherkennung steht in manchen Arztpraxen jetzt ein neues Verfahren zur Verfügung: Cardio Explorer, ein in der Schweiz entwickelter, schneller und genauer Bluttest, der eine präzisere Diagnose ermöglicht.
Dr. Didier Locca, Facharzt für Kardiologie der FMH und Gründer des Zentrums für Herz- Kreislauf-Erkrankungen Centre cardiovasculaire du Grand-Chêne (CVCL SA) in Lausanne, spricht mit uns über den neuartigen Test zur Ermittlung von Risikofaktoren für Koronarerkrankungen.
Herr Doktor Locca, warum ist dieser Test zur Früherkennung von Risikofaktoren für Herzerkrankungen so wichtig?
Zurzeit steigt die Sterblichkeitsrate durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit stark an, insbesondere bei Frauen nach der Menopause. Bei ihnen wird oft nicht die richtige Diagnose gestellt, da bei ihnen oft nicht die typischen Symptome bei einem Herzinfarkt auftreten, die wir von Männern kennen (Müdigkeit, Herzflattern, Atemnot, Unwohlsein usw.). Aus diesem Anlass haben wir die Möglichkeiten einer systematischen grundlegenden Untersuchung breiter Bevölkerungsschichten geprüft.
Woher kommen diese Koronarerkrankungen?
Grob gesagt werden sie durch Ablagerungen in den Koronararterien verursacht, die nach
und nach zu einer Verengung dieser Arterien führen. Dafür gibt es verschiedene Risikofaktoren. Hier sind beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte und eine ungesunde Lebensweise mit Bewegungsmangel, viel Stress und einer ungesunden Ernährung, Übergewicht und Rauchen zu nennen. Auch erblich bedingte Faktoren spielen eine sehr wichtige Rolle, zum Beispiel ob in der Familie Erkrankungen der Hirngefässe oder Herzerkrankungen vorkommen. Durch all diese Faktoren wird die Alterung der Arterien beschleunigt und es besteht ein erhöhtes Risiko für eine Stenose oder Verengung der Arterien sowie für Risse an Plaques, die zu einem akuten Verschluss der Herzkranzgefässe (Infarkt) führen können. Die Ernährung spielt hier eine entscheidende Rolle; im Übrigen nehmen Koronarerkrankungen gerade bei Jüngeren zu, was auf einen erhöhten Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel (Fast Food) zurückzuführen ist, die viel Fett und Zucker enthalten.
Was passiert beim neuen Cardio Explorer-Test?
Durch den am Universitätsspital Basel gemeinsam mit Zentren in Deutschland, Österreich und den Niederlanden entwickelten und geprüften Cardio Explorer-Test wird die Früherkennung sowohl für Bevölkerungsgruppen mit einem geringeren Risiko für Herz- Kreislauf-Erkrankungen als auch für Hochrisikogruppen vereinfacht. Er basiert auf den von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Früherkennung herausgegebenen Leitlinien.
Worin unterscheidet sich Cardio Explorer von bereits vorhandenen Diagnosewerkzeugen?
Dieser Test hat eine höhere Sensitivität als das Elektrokardiogramm, das standardmässig als einziges Werkzeug genutzt wird. Ausserdem wird im Rahmen des Tests nicht nur eine Anamnese durchgeführt, bei der die vom Patienten beschriebenen Symptome genau betrachtet werden, sondern es werden zusätzlich noch die Blutwerte miteinbezogen. Durch die Einbeziehung dieser Parameter und mithilfe des Testergebnisses können die individuellen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen genau bestimmt und ein Plan entwickelt werden, wie sie durch Änderungen des Lebensstils positiv beeinflusst werden können. Ausserdem werden Anhaltspunkte dafür gewonnen, welche weiteren Untersuchungen am Herzen notwendig sind. Der Test kann bei der Diagnose als Hilfestellung für individuelle Behandlungsansätze genutzt werden.
Worin besteht bei der praktischen Anwendung der Vorteil dieses Tests im Vergleich zu anderen Verfahren?
Die Ergebnisse liegen bereits nach weniger als 48 Stunden vor, was bei einem Test zur Früherkennung ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Da bei diesem Test mehrere Faktoren miteinander kombiniert werden, hilft er dabei, Patientinnen und Patienten zu erkennen, bei denen noch nicht bekannt ist, dass ein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, und bei denen im Rahmen der standardmässig durchgeführten Kontrolluntersuchungen wohl keine Auffälligkeiten festgestellt werden würden.
Welche Vorteile haben Patientinnen und Patienten?
Wir als Ärzte können unsere Patientinnen und Patienten über Behandlungsmassnahmen aufklären und sie für die Wichtigkeit eines gesunden Lebensstils und die Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen sensibilisieren.
Ist der Test für alle Patiententypen geeignet?
Ja, mit diesem Schnelltest können nicht nur Risikopatientinnen und -patienten erkanntwerden, deren kardiologische Behandlung individuell geplant werden muss, er dient auchdazu, Menschen mit einem weniger hohen Risiko dafür zu sensibilisieren, wie wichtigVorsorgeuntersuchungen sind und wie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung minimiertwerden kann, etwa durch viel Bewegung, ausreichend Trinken, eine ausgewogene Ernährungund Stressmanagement.
Also ein wertvolles Instrument...
Auch wenn der Test ergänzende allgemeinmedizinische und kardiologische Untersuchungen nicht ersetzen kann, so ist er doch ein guter Anhaltspunkt für eine bessere medizinische Versorgung und hilft, die Früherkennung koronarer Herzkrankheiten in der Bevölkerung zu verbessern.